Haushaltsrede 2023 im Rat der Stadt Münster
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
es könnte ein durchweg positives Gefühl sein, nach 2 Jahren endlich wieder hier zu stehen und die Haushaltsrede zu halten, wo sie gehalten werden soll: Im Festsaal des Historischen Rathauses. Und doch könnte die Beklemmung auch und gerade nach den vergangenen gut 3 Stunden kaum größer sein. Viele und auch ich haben immer wieder gesagt: Es herrscht Krieg in Europa. Und wenn am Heiligen Abend kommende Woche der Krieg seit 10 Monaten tobt, müssen wir auch konstatieren, dass bei uns allen eine Art Gewöhnungseffekt eingesetzt hat. Das mag menschlich verständlich sein, ist tatsächlich aber vollkommen falsch! Deswegen ist es gut und richtig, dass wir heute einmütig die Solidaritätspartnerschaft mit Winnyzja in der Ukraine eingegangen sind.
Unter dem Eindruck des Krieges und seiner Auswirkungen im Bereich von Flucht, Vertreibung, steigender Inflation, aber auch der Notwendigkeit, in einem nicht gekannten Ausmaß Energie sparen zu müssen, steht dieser zu verabschiedende Haushalt samt mittelfristiger Perspektive.
Deswegen steht am Beginn meiner Ausführungen ein großes Danke. Ein Danke an die Mitarbeitenden in der Stadtverwaltung. Seit drei Jahren arbeitet die Verwaltung im Krisenmodus, erst kam Corona, jetzt viele Vertriebene aus der Ukraine. Im Angesicht von tausendfacher Vertreibung allein nach Münster, sind viele Mitarbeitende an ihre Grenzen und sicher darüber hinaus gegangen. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich eine leistungsstarke Verwaltung. Und auch wenn meine Fraktion und ich “die Verwaltung” häufig kritisieren, dem Einsatz der Mitarbeitenden für Mitmenschlichkeit und ganz konkrete Hilfe zollen wir großen Respekt!
Unser Dank gilt auch den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt. Wie eigentlich immer sind wir alle gemeinsam stabil, wenn es um Menschenrechte, Hilfe und Solidarität geht. Das war bei Corona so und das war auch so, als der Prinzipalmarkt überfüllt war mit Menschen, als ein Parteienbündnis zur ersten großen Demonstration gegen den ungerechtfertigten Angriffskrieg gegen die Ukraine aufgerufen hatte. An der Solidarität hat sich nach meiner Wahrnehmung während der letzten rund 10 Monate nichts geändert.
Und während also drei Flugstunden von hier Luftalarm, Zerstörung und Tod Alltag sind, hatten wir über Bebauungspläne, Spielplätze und ein Fußballstadion zu entscheiden. Ein irrer, surrealer Spagat, aber einer, den wir zu meistern hatten.
Dieser Krieg hat Auswirkungen auf uns alle und auf alles - auch auf den städtischen Haushalt. Und somit ist eine Finanzplanung für 2023 oder gar die folgenden Jahren unsicherer denn je. Kaum kalkulierbare Energiekosten, schwer einzuschätzende Tarifabschlüsse für die Angestellten und rasant steigende Baukosten machen Prognosen für die Zukunft fast unmöglich. Trotzdem wird die Finanzplanung gebraucht, um die Zukunft unserer Stadt gestalten zu können.
Es gilt, sich ehrlich machen: Ein Haushalt, der seit Jahren, ja eigentlich seit einem Jahrzehnt, in den Planungen eine strukturelle Unterfinanzierung in zweistelliger Millionenhöhe aufweist, wird man in einem Krisenjahr wie diesem nicht sanieren können, dafür sind die Herausforderungen, vor der die Stadt steht, einfach zu groß. Aber auch in diesem Jahr ist richtig, was in den vergangenen Jahren nicht falsch war. Münster hat ein Ausgaben- und kein Einnahmeproblem. Dass die Kämmerin weiterhin mit einer Gewerbesteuereinnahme auf Rekordniveau plant, nennen einige optimistisch, doch erst das Ergebnis wird zeigen, wie dies schlussendlich zu bewerten ist. Es zeigt aber in jedem Fall: Angefeuert von der Verwaltung, die die entsprechenden Vorlagen schreibt, hat das Bündnis den Menschen zu viele Projekte und Investitionen versprochen, die spätestens jetzt, in Krisenzeiten, gehörig wackeln. Nicht zuletzt deswegen hat sich meine Fraktion in diesem Jahr wieder besonders intensiv mit dem Investitionsprogramm der Stadt, also auch mit den Krediten und den Belastungen von morgen, beschäftigt. Denn auch das ist typisch in Krisenzeiten. Das Erste, was auf der Strecke bleibt, ist die Generationengerechtigkeit.
Vor diesem Hintergrund halten wir es für nicht verantwortbar, die beschlossenen 40 Mio. Euro für das Stadion an der Hammer Straße signifikant um 50% zu erhöhen. Ja, es ist die gemeinsame Verantwortung von uns allen. Denn wir alle haben das Preußen-Stadion verkommen lassen. Aber der Bau von Logen - und sei es nur in Form eines veredelten Rohbaus - kann in Zeiten wie diesen keine kommunale Aufgabe sein. Interessanterweise höre ich mich hierbei sozialdemokratischer an als jeder Sozialdemokrat, der Mitglied der gleichnamigen Fraktion ist. Bemerkenswert ist aber, dass die gerade Genannten hier ausnahmsweise die Tonangebenden im Bündnis sind.
Bemerkenswert ist aber auch, wie dieses Projekt gesteuert wird. Haushaltsmittel werden deutlich aufgestockt, obwohl wesentliche Kostenparameter unklar sind: Wie hoch ist denn die sogenannte Management Fee, die die Stadtwerke bekommen, um das Stadion umzubauen? Wie hoch wird denn die Baukostensteigerung werden? Wie hoch ist sie denn bereits heute? Und zu guter Letzt: Warum tuen die Verwaltung und das Bündnis mit ihrem Beschluss in den letzten Wochen so, als gäbe es keine ungeklärten Fragen bei der Umsatzsteuer, nur, damit wir gleich nach der Verabschiedung des Haushaltes genau diese Thematik mit einer weiteren Vorlage versuchen zu heilen? Damit schlummern in dem Projekt aber ganz locker und schnell Risiken in Höhe von mindestens 25-30 %.
Politisch wie finanziell droht hier ein Fass ohne Boden! Die Leidtragen waren, sind und bleiben aber der Verein Preußen Münster und seine Fans. Auch wir verbinden große Emotionen, wenn es um den Verein und die Bedeutung für unsere Stadt geht, aber einen Haushalt stellt man nunmal als vorsichtiger Kaufmann auf. Deswegen sind wir bereit, das Budget allenfalls moderat anzuheben, um die aus städtischer Sicht sinnvolle Reihenfolge des Bauens zu ermöglichen.
Eine moderate Erhöhung, die unter anderem durch das Streichen der 5 Mio. € Anschubfinanzierung für ein neues Freizeit- und Familienbad in Münsters Westen möglich gewesen wäre. Denn jedem in diesem Raum ist klar, dass dieses Bad in den nächsten Jahren nicht realisiert werden kann. Die Kämmerin und das Team aus dem Amt für Finanzen haben in den letzten Jahren viel Kraft aufgewendet, um den Haushalt von den Luftbuchungen der Vergangenheit zu befreien. Die mit verbleibenden 500.000 € Planungskosten für das Bad taugen vielleicht als Illusion und Kulisse für tolle Instagram-Kacheln, aber nicht für den städtischen Haushalt!
Apropos Illusion: Wir begrüßen, dass auch das Bündnis zu der Entscheidung gekommen ist, keinen Flyover, also eine Fahrradbrücke als Verbindung von Bismarckallee und Promenade, bauen zu wollen. Allerdings, Haushaltsmittel als Platzhalter für überhaupt noch nicht stattgefundene Entscheidungen des Rates aufrecht zu halten, schlägt in die gleiche Kerbe wie beim Freizeitbad. Und gerade in der Verkehrspolitik ist leider jeder dem Bündnis ausgestellte Blankoscheck eine Gefahr für unsere Stadt!
Damit bin ich auch schon bei der Verkehrspolitik: Wie im vergangenen Jahr hat unsere Fraktion eine frühere Mittelbereitstellung für Busvorgangspuren beantragt. Gut und richtig, dass das Bündnis diesen Antrag endlich aufgegriffen hat. Eine Zustimmung, auch bei Mobilstationen früher Mittel bereitzustellen, wie wir es ebenfalls beantragt hatten, wäre nur folgerichtig. Es ist an der Zeit, dass das Bündnis den ideologischen Kampf gegen das Auto und damit gegen die Pendlerinnen und Pendler aufgibt. Denn eine starke Gesellschaft besteht nicht nur aus Menschen in der Kerninnenstadt, die die Infrastruktur fußläufig erreichen können. Gemeinsam ist Münster nur stark, wenn wir die Stadtteile und das Münsterland mitdenken.
Als Freie Demokraten freuen wir uns, dass eine von uns eingebrachte Initiative immer weiter in die Tat umgesetzt wurde. Durch die zunehmende Befristung von Drittmitteln hat der Rat ein neues Instrument der Kontrolle. Gleichzeitig wird mit diesem Haushalt eine automatische Dynamisierung der Personalkostenzuschüsse eingeführt, die den Drittmittel-Empfängern Planungssicherheit gibt. Richtig ist auch, dass in diesem Jahr auf Grund der Inflation und den damit verbundenen sich abzeichnenden höheren Tarifabschlüssen einmalig die Erhöhung um 3,5% ausfällt.
Ebenfalls grundsätzlich positiv bewerten wir, dass sich Verwaltung und Politik auf den Weg der Haushaltsprioritäten machten - ebenfalls auf Antrag der Freien Demokraten. Dass aber nun, auf der Zielgerade der Vorlage, das Bündnis tiefgreifende Veränderungen vornimmt, ist das gute Recht einer Mehrheit, kann dann aber von uns keine Zustimmung finden, da es den eigentlichen Sinn einer messbaren Umsetzung von Prioritäten zuwiderläuft.
Gemeinsamkeiten zwischen den Haushaltsvorschlägen der Freien Demokraten und dem Mehrheitsbündnis zu finden, gleicht bei diesem Haushalt dem Suchen nach dem berühmten Haar in der Suppe. Und mit den bisherigen Ausführungen ist bereits das allerletzte Haar gefunden!
Denn heute wird eine der größten Gebühren- und Steuererhöhungen beschlossen, die der Rat seit Jahren gesehen hat. Parkraumbewirtschaftung, Ausweitung der Beherbergungssteuer, 29 € Euro-Ticket und die Anschaffung weiterer Blitzer für Münsters Straßen. Sie wollen daher kommen so sympathisch wie Robin Hood, aber am Ende sind sie doch nur der Sheriff Nottingham, der unbarmherzig Geld eintreiben will.
Stichwort Mobilitätswende: Ein großes Wort, das große Taten erfordert. Stattdessen kommen wir seit Jahren nicht vom Fleck. „Hier eine Sperrung, da eine Sperrung“, wendet aber nichts zum Guten. Den ÖPNV will das Bündnis besser machen, scheitert aber schon an einfacher Mathematik bei der Finanzierung. Denn die eingeführte dritte Finanzierungssäule, ein ÖPNV-Fonds, ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Leerstelle und wenn die ausbleibenden Einnahmen schon an dessen Einführung scheitern, dann kann man diese im Rahmen eines 29 Euro Tickets gleich auch noch mal doppelt verplanen. Will sagen, wir steuern auf ein Millionenloch im städtischen Haushalt zu, das heute nicht ansatzweise dort abgebildet ist. Folgerichtig ist da nur, Geld zur Instandhaltung für Straßen zu streichen. Denn wenn Busse bald nicht mehr fahren, dann brauchen wir tatsächlich auch keine Straßen mehr. Wenigstens hier bleibt sich das Bündnis treu!
Und während die Verwaltung versucht sich selbst in die nächste Ratsperiode zu konzeptionieren, ist das Bündnis, getrieben von ihrem Anti-Auto-Mantra, um keine Idee verlegen die Pendlerinnen und Pendlern, die Familien, die auf das Auto angewiesen sind, aus dieser Stadt zu vertreiben. Und selbst die, die flüchten, werden mit dem zweiten Blitzer, den das Bündnis beschlossen hat, nochmals zur Kasse gebeten. Für die einen scheint es eine Win-Win-Situation, für viele Menschen in unserer Stadt bedeutet diese Verkehrspolitik eine Loose-Loose-Situation.
Schizophrenie auch bei meinem letzten Thema: Später beschließen wir eine “Zukunftsstrategie für den Kongressstandort Münster”, aber vorher wird vom Bündnis noch mal eben die Ausweitung der Beherbergungssteuer beschlossen. Eine zusätzliche Belastung für eine Branche, die von Corona gezeichnet ist und sich noch lange nicht erholt hat. Nicht mal ein “normales” Geschäftsjahr gönnt das Bündnis der Hotellerie, um Luft zu holen, von Erholung will ich gar nicht sprechen. DEHOGA und IHK warnen, das Bündnis aber will Fakten schaffen. Dies hier zu beschließen, muss sich wie ein Faustschlag in die Magengrube für das Hotelgewerbe anfühlen. Und weitere Branchen wie das Taxigewerbe, die Gastronomie und der Einzelhandel wird dies ebenfalls empfindlich treffen.
Abschließend: Wir sind und bleiben eine konstruktive Opposition und auch in dieser Ratssitzung gibt es gemeinsame Initiativen mit dem Bündnis, aber unser Fokus liegt dabei immer auf den Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Das ist mit diesem Haushalt nicht gegeben und daher können wir dem auch nicht zustimmen.