Im Wortlaut: Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Jörg Berens
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
Krisenzeiten sind unsichere Zeiten. Wir haben uns fast schon mit der Unsicherheit arrangiert, bedrückend ist aber vor allem, dass von den Ministerpräsidenten und der Bundesregierung diese Unsicherheit ausgeht.
Deswegen würde ich gerne zunächst mit etwas mehr Optimismus meine Rede starten. Denn neben viel Kritik, haben wir von der FDP-Fraktion auch bemerkt, dass unsere Stadt bisher weitestgehend gut durch diese Krise kommt:
In Münster tagt regelmäßig der Krisenstab und die Kommunalpolitik in Münster eint - so mein Eindruck - dass wir nicht nörgeln und kritisieren, sondern, dass wir gemeinsam darauf bedacht sind, Dinge im Rahmen des möglichen besser zu machen und neue Ideen zu entwickeln. Daher will ich beginnen mit einem Lob an die Verwaltung. Denn bei aller Kritik abseits der Corona-Politik wird zum Beispiel im Gesundheits- und dem Ordnungsamt Herausragendes geleistet.
Stellvertretend für alle, die uns so gut durchleiten, daher der Dank der FDP-Fraktion an den Krisenstabsleiter Wolfgang Heuer.
Aber natürlich hatte und hat die Corona-Krise Auswirkungen auf den städtischen Haushalt. Zum ersten Mal seit Jahren kann Politik nicht aus den Vollen schöpfen, sondern müsste eigentlich den Rotstift ansetzen. Und DAS in der schwersten Krise nach dem 2. Weltkrieg. Und DAS, nachdem die Kommunalwahl viele neue Mitglieder und eine neue Koalition hervorgebracht hat und DAS unter erschwerten Bedingungen, da die Beratungen ganz anders ablaufen mussten als in den Jahren zuvor.
Als FDP-Fraktion haben wir daher inhaltliche und strukturelle Schwerpunkte gesetzt, auf die ich eingehen möchte:
Wie schlecht es um die heimische Wirtschaft steht, erkennen wir spätestens daran, dass seit Jahren zum ersten Mal von der LINKS-Fraktion kein Antrag zur Erhöhung der Gewerbesteuer gestellt wird. Aber zum Spaßen ist die Situation eigentlich nicht!
Wir brauchen auch weiterhin verantwortungsvolle Öffnungsschritte. Dabei dürfen wir uns nicht mehr allein am Inzidenzwert orientieren. Der Fortgang des Impfens, die Auslastungen der Krankenhäuser und die Ansteckungen in den unterschiedlichen Alterskohorten müssen zukünftig bei der Frage, ob Einzelhandel und Gastronomie öffnen können, mit zu Rate gezogen werden.
Doch selbst wenn wir morgen zurück zur Normalität kämen: Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie und die Kulturbranche würden weiterhin um das nackte Überleben kämpfen. Deswegen haben wir ausdrücklich alles unterstützt in diesem Haushalt, das den Betroffenen dieser Branchen unter die Arme greift und haben eigene Vorschläge unterbreitet - nicht erst zu diesem Haushalt. Die heimische Wirtschaft zu erhalten und zu stärken wird das vordringlichste Ziel sein müssen im Jahr 2021.
Deswegen ist es unserer Auffassung nach auch falsch, plan- und konzeptionslos, wie es das neue Bündnis tut, eine Autoverhinderungspolitik mit diesem Haushalt zu starten, die unsere Stadt noch nicht erlebt hat und die ihr nicht gut tun wird.
Vermutlich noch nie war der Konsens darüber, dass wir die Innenstadt umkonzipieren und autoärmer gestalten müssen, so groß, wie in diesen Zeiten. Doch sollte dies nicht der Anlass für Aktionismus sein.
Denn wichtige Infrastrukturmaßnahmen, wie den Ausbau des Kolderings oder den Ausbau der Spinne bei Brillux zu verhindern, ohne ein Konzept auszurollen, wie auch gerade die Menschen aus dem Umland nach Münster kommen können, grenzt aus unserer Sicht fast schon an Verantwortungslosigkeit. Nicht erst durch die Westfälischen Nachrichten, in denen nahezu wöchentlich Berichte zu lesen sind, wie langwierig Infrastrukturmaßnahmen sind, wissen wir, dass eine Mobilitätswende eben nicht von heute auf morgen erfolgen kann. Die Politik des Bündnisses verschärft die Probleme, die unsere Wirtschaft ohnehin durch Corona hat. Deswegen lehnen wir diese Politik ab!
Wie wichtig etwas ist, wissen wir meistens erst, wenn es fehlt. Dass unsere Kinder wochenlang, ja sogar monatelang nicht in die Schule gehen konnten, war eine enorme Belastung für Eltern und hat unsere Kinder in ihren Entwicklungs- und Lebenschancen zurückgeworfen!
Deswegen müssen wir alles dafür tun, dass die Kinder die Defizite aufholen können und brauchen einen echten Schub bei der Digitalisierung in der Bildung. Wir hatten dazu bereits Anfang Januar ein umfassendes Konzept erarbeitet, vorgestellt und im Rahmen der Haushaltsberatungen konkretisiert.
Richtig ist, dass die Koalition hier investiert. Doch anstatt nur einigen wenigen Schülerinnen und Schülern ein iPad zur Verfügung zu stellen, sieht das FDP-Konzept vor – mit ähnlichen finanziellen Mitteln, wie die Koalition es nun tun will – alle Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen mit einem iPad auszustatten. Eine volle Finanzierung durch die Stadt würde den Haushalt jedoch überfordern.
Wir schlagen daher ein Leasingmodell vor, bei dem die Stadt die Anschaffung der Geräte übernimmt und diese an die Schülerinnen und Schüler ausgibt. Die monatliche Leasingrate der Eltern richtet sich - ähnlich wie bei den Beiträgen zur Kindertagesbetreuung - nach dem Einkommen. Dieses sozialverträgliche Modell gibt an finanzschwache Familien ein digitales Endgerät kostenfrei ab, während gutverdienende Familien eine höhere Rate zahlen müssen. Das wäre eine faire Lösung und würde UNSER Verständnis von Solidarität in die Tat umsetzen.
Dieses Modell ist unkompliziert und wäre schnell umzusetzen und wir wären damit in Sachen Bildung einen echten Schritt weiter. Junge Heranwachsende hätten unter zukunftsorientierten Bedingungen noch mehr Freude am Lernen gehabt.
Dank der Koalition wird ein bisschen was getan, aber der große Wurf ist es ganz sicher nicht!
Die Debatten der vergangenen Sitzungen haben gezeigt, dass das Klima zwar gerettet werden soll, das Klima für junge Familien in Münster ansässig zu werden aber gleichzeitig immer schlechter wird. Wir haben daher beantragt, jetzt endlich in die Planungen für einen neuen Stadtteil einzusteigen. Ein Stadtteil, der perspektivisch einen Sprung in der Wohnungspolitik der Stadt hätte sein können. Ein Stadtteil, der attraktiv wäre für jung und alt, für Familien mit kleinem und großem Einkommen. Ein Stadtteil mit Platz für Einfamilienhäuser UND Mehrfamilienhäuser, mit Infrastruktur für KiTas UND soziale Einrichtungen.
Kurzum: Ein Stadtteil für ALLE!
Im Bereich der Feuerwehr ist die Frage nach dem Standort und den Kosten für die neue Wache 3 der Berufsfeuerwehr in Hiltrup ungeklärt. Gerade der Beginn der Pandemie im letzten Jahr hat gezeigt, wie wichtig es ist, vorbereitet zu sein und notwendige Materialien auf Lager zu haben. Schon seit längerer Zeit verfolgt die Feuerwehr das Ziel am Hiltruper Standort ein Logistikzentrum zu bauen. Doch aufgrund der Kostenexplosion bei den Planungen war das Logistikzentrum auf später geschoben worden. Wir halten dies für falsch. Wir alle halten große Stücke auf unsere Feuerwehr - zu Recht. Diese Pandemie hat gezeigt, dass alle - Bund, Land, Kommune, aber auch die Gesellschaft - den Bevölkerungsschutz nicht ausreichend ernst genommen haben. Das Einlagern von wichtiger Ausrüstung wie Schutzkleidung wird auch in Zukunft wichtig sein. Daher muss, unserer Auffassung nach, das Logistikzentrum zusammen mit der Wache 3 gedacht, geplant und gebaut werden - bei aller notwendigen Diskussion über die Kostenexplosion bei den Planungen!
Dieser Haushalt steht vor vielfältigen Herausforderungen. Es ist klar, dass er mit einem Defizit abschließen wird. Viele der Herausforderungen können in die so genannte Corona-Isolation und in die folgenden Jahre geschoben werden. Er ist daher auch so etwas wie ein “Übergangshaushalt”. Er offenbart strukturell Schwächen, die aber jetzt angegangen werden können und müssen, um den Haushalt als politisches Steuerungsinstrument wieder einsetzen zu können. Und um die drohende Haushaltssicherung zum Ende der mittelfristigen Finanzplanung abzuwenden.
Denn DIESER Haushalt hat so viel heiße Luft wie noch nie. Viel Geld ist für Vorhaben geplant, ohne zu wissen, wie sie umgesetzt werden sollen: Zum Beispiel die 50 Mio €, die das schwarz-grüne Bündnis 2018 pauschal in den Haushalt eingestellt hat, um beim Thema Mobilität voranzukommen. Oder die 40 Mio € für den Um- und Ausbau des Preußenstadions, von dem wir bis heute noch nicht wissen, wie es aussehen wird. Was wir aber schon wissen: 40 Mio € werden nicht reichen! Oder ich erinnere an die Millionen, die für den Musikcampus eingestellt sind, obwohl fraglicher denn je ist, ob das Land sich dieses Projekt noch leisten kann und will. Und obwohl fraglich ist, wo er hinkommen soll und obwohl fraglich ist, wie ein Betreibermodell aussehen soll.
Diese und andere Beispiele zeigen: Erst braucht es durchdachte Konzepte, bevor man pauschale Beträge in den Haushalt einstellt, die die Sinne vernebeln und somit den Blick auf das Wesentliche verdecken.
Ausdrücklich will ich hier die Kämmerin von der Kritik außen vorlassen. Denn sie lässt als eine der wenigen den Willen erkennen, dass zukünftige Haushaltsentwürfe mehr mit dem Ergebnis zu tun haben als das bloße Kalenderjahr.
Gerade die Debatte über die Realisierung des Projekts des Stadions an der Hammer Straße hat gezeigt, dass die städtischen Gesellschaften plan- und teilweise auch ziellos aufgestellt sind. Welche Gesellschaft kümmert sich um Mobilität? Welche kümmert sich vordringlich um das Thema Bauen? Das sind Fragen, die mit Blick auf das Beteiligungsportfolio nicht eindeutig zu beantworten sind!
Deswegen haben wir bei den diesjährigen Beratungen beantragt, eine externe Unternehmensberatung zu beauftragen, die genau diese Fragen klärt. Die Synergieeffekte aufdeckt. Die Kompetenzen bei einzelnen Gesellschaften bündelt. Und die jede einzelne städtische Gesellschaft profilschärfer positioniert. Das würde auch das Recruiting von Fachpersonal erleichtern!
Es ist außerordentlich bedauerlich, dass dieser Vorschlag keine Mehrheit findet. Denn mit dieser strukturellen Herangehensweise ließen sich zukünftig wichtige Projekte für unsere Stadt leichter ordnen und bearbeiten. Das ist keine Frage von linker oder bürgerlicher Politik, sondern eine Frage von Transparenz.
Außerdem müssen wir uns nach Auffassung der FDP-Fraktion zukünftig stärker um die Zuwendungen an Dritte kümmern. Ein Posten, der 146 Mio € umfasst und stetig wächst. Wir müssen weg von der gängigen, Praxis, dass ein einmal gewährter Zuschuss ohne weitere politische Kontrolle über Jahrzehnte zu einem Mittelabfluss führt. Hier haben wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten die politische Kontrolle verloren, die wir jetzt wieder zurückerlangen müssen.
Deswegen schlagen wir erstens eine Selbstverpflichtung vor, Zuschüsse nur noch zeitlich befristet zu gewähren, also eine Sunset-Klausel einzuführen. Zweitens müssen wir uns auf den Weg machen, die alten Zuschüsse zu überprüfen. Dies wird nicht mit der Einbringung des Haushalts 2022 gelingen - das ist klar. Aber beginnend mit den Zuschüssen aus den 1960-iger Jahren müssen die inhaltlichen, sachlichen und rechtlichen Grundlagen der jeweiligen Zuschüsse überprüft und dann ebenfalls mit einer Sunset-Klausel belegt werden. Das positive Feedback aus allen Fraktionen und Gruppen zu diesem Antrag freut uns sehr und wir gehen gut gestimmt in die Gespräche darüber wie diese Idee in praktische Verwaltungsarbeit kurzfristig umgesetzt werden kann.
Wie Sie es von der FDP-Fraktion gewohnt sind, machen wir keine Fundamental-Opposition. Wir begleiten die neue Rathaus-Mehrheit konstruktiv-kritisch. Wir verschließen uns nicht gegen gute Ideen und werden unsere Ideen weiterhin aussprechen und vertreten.
Gerade bei den Wirtschafts- und Mobilitätsthemen wünschen wir uns eine lautere Stimme der Vernunft innerhalb des Bündnisses. Nicht nur Einzelmeinungen aus der SPD.
Heute steht eine Schlussabstimmung über den Haushalt an. Wie immer gibt es Dinge, die findet man gut und es gibt Dinge, die findet man weniger gut. Gerade aber die Weichenstellungen im Bereich der Mobilität und des Klimaschutzes gehen aus unserer Sicht eindeutig zu Lasten der Wirtschaft und der jungen Familien, deswegen werden wir diesem Haushalt unsere Zustimmung versagen!